In Foren hab ich schon häufig darüber gelesen, wie unglücklich viele Reiter/innen darüber sind, (wieder) einen neuen Sattel kaufen zu müssen, weil der alte Sattel nicht länger passt oder funktioniert.
„Albtraum Sattelkauf“ wird dieses Phänomen oft genannt.
Obwohl die Sattelanpassung und der Verkauf von Sätteln sich in den letzten Jahren wirklich zum Besseren gewandelt haben (und ich hoffe, dass ich an diesem Fortschritt beteiligt gewesen bin), haben noch immer zu viele Reiter große Probleme damit, das Passende für sich und ihr Pferd zu finden.
Als ich 1986 nach Kanada kam, wurden Sättel meist wie andere Konsumgüter gehandelt. Sie wurden in Läden gekauft und selten einmal sahen sich die Sattelverkäufer das entsprechende Pferd zum Sattel an, falls sie diesbezüglich überhaupt wussten, auf was genau sie dabei achten mussten. Stattdessen wurden die Sättel ausprobiert und wenn man Glück hatte, konnte man sie so lange tauschen, bis man entweder zufrieden oder völlig frustriert war und aufgab.
Es gab eigentlich niemanden, der a) einen Sattel anpassen, b) gebrochene Sattelbäume korrekt instandsetzen oder c) zum Stall kommen und Pferd und Reiter korrekt vermessen konnte, um die optimale Passform von Anfang an zu gewährleisten.
Wie viele von Ihnen haben so etwas bereits erlebt? Vieles in der Pferdewelt ist ziemlich unorganisiert und unterliegt keinerlei Regeln. So bedeutet der Begriff Meister in Nordamerika herzlich wenig. Die Ausbildung und Zertifizierung ist völlig beliebig.
In Europa gibt es eine Berufstradition und Meisterkurse sowie Prüfungen vor einer Kommission aus „alten“ Meistern. Man kann und muss den Meistertitel in sämtlichen Berufen erst erwerben, bevor man sich selbständig machen darf. In Kanada haben wir den Sattlerberuf 1990 registrieren und eine staatlich anerkannte, dreijährige Ausbildung eintragen lassen.
Trotzdem ist die Sattelanpassung in weiten Teilen noch immer ein unüberschaubarer Bestandteil des Pferdesportgeschäfts.
Es gibt keine Standards, an die Sattelanpasser sich halten müssen, wenn sie mit Mensch und Pferd arbeiten. Vieles von dem, das sie tun, beruht auf althergebrachten Ansichten und dem Material, das zur Verfügung steht. Viele englische Sattelmarken lassen sich aufpolstern, wenn sie mit Wolle gefüllte Kissen haben. Über dem Widerrist und rund um ihn herum lassen sie sich aber weder in der Weite, noch im Winkel korrekt anpassen.
Wie soll man den Veränderungen im Gebäude eines Pferdes dann Rechnung tragen?
Pferde verändern sich nun einmal, wenn sie älter werden, im Training, im Wachstum. Es ist also kein Wunder, wenn es so schwierig und frustrierend ist, ständig nach einem passenden Sattel Ausschau halten zu müssen. Es ist einer der Gründe, warum ich vor zehn Jahren Saddlefit4Life® als Ausbildungs-, Fortbildungs- und Weiterbildungsstätte gegründet habe.
Ein zertifizierter Sattelergonom zu werden, geht über simples Anpassen von Sätteln hinaus. S4L verlangt zwei Fortbildungen pro Jahr, damit die professionellen Sattelanpasser immer auf dem neuesten Stand sind. Saddlefit4Life® ist ein Netzwerk von professionellen Pferdeleuten, die sich der Aufgabe verschrieben haben, Pferd und Reiter vor Langzeitschäden zu schützen. Ich arbeite daran, weltweite Standards und einen einheitlichen Code in der Sattelanpassung zu entwickeln.
Wir arbeiten zum Beispiel mit Tierärzten, Chiropraktikern, Physiotherapeuten und anderen zusammen, um die Zusammenhänge zwischen Anatomie, Biomechanik und Sattelpassform zu beleuchten. Saddlefit4Life® möchte den Wissenslevel anheben, um letztlich Reiter und ihre Pferde zu unterstützen. Manchmal weiß man ja gar nicht, was man nicht weiß.
Das Ziel ist, dass die professionellen Sattelanpasser vor Ort mit Pferd und Reiter zusammen arbeiten, um den bestmöglich passenden Sattel für beide zu finden und die optimalen Möglichkeiten unabhängig von der Machart oder dem Modell zu gewährleisten. Selbst Wintec Sättel können beispielsweise Teil der S4L Philosophie sein, so lange die Reiterin sich im Klaren darüber ist, dass sie vielleicht in den sauren Apfel beißen und jedes Jahr einen neuen Sattel kaufen muss, damit die Passform stimmt. Das widerspricht zwar unserer Philosophie, dass man in einen Sattel investiert, der das ganze Pferdeleben über korrekt angepasst werden kann, aber es erfüllt jedenfalls das Bedürfnis des Pferdes nach einem fortlaufend gut sitzenden Sattel.
Offensichtlich geht das Käuferverhalten tatsächlich in Richtung Wegwerfartikel, anstatt dahin, dass man mit dem arbeitet, was man hat, um nachhaltig und umweltschonend zu leben. Dies betrifft nicht nur Sättel, sondern auch Kleidung, Wasserflaschen etc. Wie viele Leute stopfen Socken oder flicken ihre Kleidung, statt neuen „Kram“ zu kaufen? Ich schätze, die Zahl ist relativ überschaubar.
Doch ich schweife etwas ab. Wenn man von der Voraussetzung ausgeht, dass Ihr Sattel die zweitteuerste Anschaffung nach dem Kauf Ihres Pferdes ist (manchmal ist er sogar die teuerste!), spielt der Preis des Sattels natürlich immer eine Rolle. Häufig kommen wir zu Sattelanpassungskursen und hören Sätze wie „mehr als 1.000 Euro will ich nicht ausgeben“ oder „Ich schaue nur nach einem guten, gebrauchten Sattel“. Das sind absolut stichhaltige Aussagen.
Zunächst einmal macht man ja einen Termin für eine Sattelanpassung aus, um etwas über die Passform des Sattels herauszufinden und zu erfahren, ob der Sattel passt oder dem Pferd angepasst werden kann.
Wir sind der Meinung, dass es einen Wert darstellt, wenn man etwas kauft, das man ein Pferdeleben lang behalten und das mit dem Pferd zusammen verändert werden kann. Tatsächlich denken wir auch, dass dies die Umweltressourcen schont, wenn man seinen Sattel behält und anpassen lässt, anstatt ihn dauernd wechseln zu müssen. Man spart außerdem Geld, wenn man einen anpassbaren Sattel besitzt, der das Gegenteil eines Wegwerfsattels darstellt. Und wenn der Sattel durchgängig gut sitzt, braucht man auch den Tierarzt nicht zu bemühen, was ebenfalls Geld sparen könnte.