Sattelanpassung und die klassische Reitweise

von Redaktion

Sattelanpassung und die klassische Reitweise

von Redaktion

Jochen Schleese

Korrekt gerittene Pferde, die nicht auf der Vorhand laufen, haben ein deutlich geringeres Risiko, Langzeitschäden zu erleiden. Eine weiche Hand, ein weicher Sitz, ein weiches Maul, ein weicher Rücken, dennoch wirklich bergauf, geradegerichtet und durchs Genick ohne Geziehe und Geklopfe.

Tina Irwin & ‘Fancy That’ – Foto: Dieter Busse.
Tina Irwin & ‘Fancy That’ – Foto: Dieter Busse.

Es sollte natürlich nicht nur um Medaillen und Gewinne gehen, aber ich bin trotzdem begeistert und fühle mich bestätigt, wenn eine meiner Kundinnen mir so ein Foto wie das hier oben schickt. Es ist ein absolutes Paradebeispiel für ein wunderschönes Pferd, das Durchlässigkeit zeigt. Besonders zu beachten gilt, dass seine Kruppe wunderbar gerundet ist und die schön gewinkelte Hinterhand bis fast unter die Gurtlinie tritt, und dabei ist der Blick und das Ohrenspiel des Pferdes lebhaft und nach vorne gerichtet. Die Reiterin sitzt in einer durchgehend klassischen Sitzposition, mit einer korrekten Lotrechten von Schulter, Hüfte und Absatz, das Pferd sieht aus, als bewege es sich infolgedessen bergauf. Im Mittelgalopp  braucht es weniger als zehn Galoppsprünge für die lange Seite des Dressurvierecks und dieser Mittelgalopp ähnelt dem Beginn der Levade.

Bilder wie dieses stimmen mich hoffnungsvoll, denn es scheint noch immer Reiter/innen zu geben, die die Idee des korrekten Reitens verstehen. Das steht in krassem Widerspruch zu dem, was ein David Guy, PhD in seinem Artikel „Trakehner und Totilas revolutionieren die Zucht von Sportpferden“ schrieb. Dieser Artikel ist ein alarmierendes Beispiel für die Desinformation, die man heute überall findet, und die die unkorrekte Ausbildung „moderner“ Dressurpferde entschuldigen soll. Einigen Beobachtungen des Autors muss direkt widersprochen werden.

Die Anatomie und der Bewegungsablauf von Pferden haben sich innerhalb von Tausenden von Jahren nicht verändert, was jedoch wächst, ist die Unkenntnis darüber, wie man ein Pferd verbessert und schützt. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung hin zum Schaden anstelle zum Schutz der Pferde sind die Bewertungen auf Dressurturnieren. Die Regeln der FEI basieren auf dem klassischen Prinzip der Dressurausbildung und dem Bewegungsablauf von Pferden, doch sie werden ignoriert und durch spektakuläre Bewegungen ersetzt, die vor allem im Mitteltrab das uninformierte Publikum begeistern. Das Publikum weiß ja nicht, dass das Pferd  dadurch Schaden nimmt. Der Autor erwähnt selbst, dass die moderne Dressur aus sog. „historischen Gründen“ von der klassischen Ausbildung, wie sie vor etwa zweihundert Jahren praktiziert wurde, abweicht. Pferde sind beim Besorgen oder Transport von Nahrung, als  Fortbewegungsmittel oder beim Führen von Kriegen nicht mehr notwendig. Ihr Überleben hängt allein davon ab, dass sie unserem Ego dienen und wir sie für sportliche Zwecke oder als Kumpel um uns haben wollen. Da sich ihre Rolle geändert hat, ist nun die Form wichtiger als die Funktion.

 

Ein Saddlebred (Saddle Seat) zeigt hier die übertriebene Vorderbein-Aktion mit hohlem Rücken und nach hinten heraustretender Hinterhand. Quelle: Wikipedia
Ein Saddlebred (Saddle Seat) zeigt hier die übertriebene Vorderbein-Aktion mit hohlem Rücken und nach hinten heraustretender Hinterhand. Quelle: Wikipedia.

Die Aufnahmen von Pferden in diesem Artikel sprechen für sich selbst. Der hohle, spektakuläre Bewegungsablauf ist ja nichts Neues. Die übertriebene Beinaktion wird in der Zucht von Saddlebreds und anderen Gangpferden ebenfalls gezeigt und gut bewertet. Das Pferd wird ausgeschaltet und sein Rücken durchgedrückt, da dies der einzige Weg ist, es dazu zu bringen, seine Vorhand auf einer anderen Ebene zu bewegen, als seine Hinterhand. Dass dieser „Stil“ akzeptiert wird, ist ein totaler Widerspruch zu den ursprünglichen Grundsätzen der Dressur. Was sehen wir als Nächstes? Feuerwerksböller und Ketten um die Fesselgelenke?

Dem Autor ist klar, dass die modernen Zuchtprogramme in der Warmblutzucht vorbildlich sind. Die Pferdezuchtbranche produziert überragende Sportler mit unglaublichen natürlichen Bewegungen. Verständlicherweise zeigen diese Jungpferde diese Art von übertriebener Bewegung, denn sie sind aufgeregt, untrainiert, und sie tragen kein Reitergewicht. Es liegt in unserer Verantwortung als ihre Ausbilder, ihre Fähigkeit auszubauen, einen Reiter zu tragen. Die Fähigkeit, eine Verbindung über den Rücken herzustellen und die Hinterhand zu aktivieren ist für jedes Pferd in jeder Disziplin eine fundamentale Voraussetzung. Diese Verbindung bewahrt, beschützt und befähigt das Pferd, ein leichtrittiger, harmonischer Partner zu werden. Belässt man das Pferd in seinem natürlichen Zustand, so wird es auf der Vorhand laufen. Sein Schwerpunkt liegt dann vorne, direkt hinter dem Ellbogen und sein Rücken ist durch das Reitergewicht hohl  (oder durch den Schmerz, den der unpassende Sattel verursacht). Um das Gewicht von Reiter und Sattel tragen zu können und die Gesundheit seiner Muskeln, Knochen, Sehnen und Bänder zu erhalten, muss das Pferd sich in einem korrekten Rahmen bewegen. Der „Show-Trab“ sieht vielleicht spektakulär aus, aber wie vielen dieser Pferde ist ein langes Leben ohne dauerhafte Verletzungen oder invasive Behandlungen beschert, damit sie weiterhin leistungsfähig bleiben?

 

Showtrab- eine spektakuläre, aber nicht korrekte Bewegung. Quelle: Internet
Showtrab- eine spektakuläre, aber nicht korrekte Bewegung. Quelle: Internet

Am erschreckendsten finde ich die Bemerkung, dass „Züchter sich verstärkt in diese Richtung orientieren sollten, um das wachsende Kundeninteresse am ultimativen Dressurpferd zu befriedigenden, das die Standards erfüllt, die Totilas gesetzt hat. Die extrem hohen Wertnoten, die dieses Pferd von Dressurrichtern bekommen hat, wird den Trend verstärken, diesen Bewegungstyp in Zukunft zu züchten oder sogar zu klonen.“ Der Druck, auf die Schnelle Pferde zu züchten bringt eine Überpopulation und tragische Fälle mit Schlachtungen oder Euthanasie mit sich. Um den Marktanforderungen zu genügen, werden Pferde noch härter und in zunehmend jüngerem Alter zu Leistungen getrieben, die sie physisch und psychisch stark beeinträchtigen und denen sie einfach nicht standhalten können. Und die Richter unterstützen die körperlichen Schäden und die unethischen Ausbildungsmethoden indem sie deren Resultate konsequent im Ring belohnen.

Pferde sind im Wettlauf der Menschen um die Medaillen, um das große Geld oder das persönliche Ego die Unschuldigen. Sie haben es sich nicht ausgesucht, dass wir sie reiten. Wir sind es ihnen schuldig, gegen diesen Trend der Schein-Ausbildung anzugehen und ihn zu kritisieren, wenn diese Ritte auch noch durch hohe Wertnoten von Richtern belohnt werden, die die Regeln entweder nicht gelesen haben, oder sie aus irgendeinem Grund ignorieren. Wenn wir diese Abweichung von der klassischen Dressur akzeptieren, beleidigt das all diejenigen unter uns, die an die klassischen Prinzipien glauben und eine gute Wertnote für solche „modernen Bewegungen“ niemals akzeptieren oder geben würden. Man kann es nennen, wie man möchte, nur Dressur sollte man es bitte niemals nennen.

Das Paradoxe ist, dass es für mich als Sattler, als Sattelanpasser und Ergonom weniger Arbeit bedeutet, wenn ein Pferd schlecht geritten ist und einen hohlen Rücken hat, die Hinterhand nicht benutzt und sich nur mit der Vorhand bewegt. Pferde, die so geritten werden, bleiben gerade im Rücken und verändern ihre Muskulatur nicht auf positive und deutlich sichtbare Weise. Es ist also leichter und billiger, was die Sattelanpassung betrifft. Aber für die Pferde ist es auf lange Sicht sehr traurig, denn sie leiden.

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