Eine Alltagssituation: Die Reiterin sitzt schief, ihre linke Hüfte ist eingeknickt. Wenn ich den Sattel aufs Pferd lege, passt der Baum, die Kissen sind gleich hoch und die Reiterin sitzt ausbalanciert auf beiden Sitzbeinhöckern. Im Stehen sieht alles super aus. Dann beginnt das Pferd, sich zu bewegen. Der Sattel tut, was er tun soll, er bleibt ruhig liegen und ich bin zufrieden, mit dem was ich sehe und damit, wie der Sattel zum Pferd passt. Aber die Reiterin sitzt schief. In neun von zehn Fällen liegt die Ursache dieses Problems im Becken und in den Beinen. Die meisten Reiterinnen kompensieren ihre Schiefe in der Lendenwirbelsäule. Dadurch wird auch der Oberkörper beteiligt. Meist gibt es eine Rotation irgendwo in der Wirbelsäule, eine Schulter ist höher als die andere und auf einer Seite wird die Hand höher getragen.
Nehme ich den Sattel ab, sieht der Staubabdruck zwar gut aus, aber auf einer Seite ist ein wenig mehr Staub, als auf der anderen. Das ist meist die Seite, auf der die Reiterin „schwerer“ einsitzt.
Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass die Reiterin großen Einfluss darauf hat, wie gerade ihr Pferd ist. Ich habe nur eine Handvoll Pferde gesehen, deren Trapezius und langer Rückenmuskel auf beiden Seiten gleich stark ausgebildet waren. Diese Pferde wurden mit einem anpassbaren Baum geritten und ihre Reiterinnen saßen fast gerade.
Wenn man ein Pferd vor Langzeitschäden schützen möchte, muss man also auch der Reiterin „helfen“. Das ist aber nicht wirklich unser Job als Sattelanpasser. Der Ausbilder glaubt, dass das Pferd schuld sei, weil es schief ist. Passe ich also die Kissen so an, dass die Reiterin weniger schief sitzt oder lasse ich alles so, wie es ist? Ist die Reiterin dafür verantwortlich, sich um ihren Körper zu kümmern, so dass sie ihrem Pferd keinen Schaden zufügt?
Sattelanpasser, Ausbilder und Reiterin haben drei Möglichkeiten zur Auswahl, die jeweils von den aktuellen und individuellen Umständen abhängen. Ich glaube, dass es mehr als einen Faktor gibt, der das Gebäude des Pferdes oder den Körper der Reiterin innerhalb kürzester Zeit beeinflussen kann. (Foto: Dr. Joanna Robson, DVM)
- Die Kissen können so angepasst werden, dass sie die „strukturell bedingte“ Schiefe der Reiterin ausgleichen.
- Hat die Reiterin Haltungsprobleme, muss sie an ihrer eigenen geraden Körperhaltung arbeiten und ihre Muskulatur beispielsweise durch Pilates stärken. Sättel sollten niemals als Prothese dienen. Sättel sind dazu da, Pferd und Reiter vor Langzeitschäden zu schützen, aber nicht als Krücke für Reiterinnen, die keine Körperkontrolle besitzen.
- Falls die linke Schulter des Pferdes größer sein sollte, sitzt der Sattel im Stand gerade. Die größere linke Schulter wird den Sattel in der Bewegung aber auf die hohle (rechte) Seite schieben. In diesem Fall sollte eine geometrische Anpassung am Sattel vorgenommen werden und die linke Seite des Kopfeisens „x“ cm weiter sowie die rechte Seite um das gleiche Maß enger gestellt werden. Dadurch hat der Sattel auf der linken Seite mehr Raum für die Bewegung der größeren linken Schulter, und der Sattel wird in der Bewegung nicht mehr nach rechts
Etwas, das ich selbst auf den professionellen Fotos in Reitsportmagazinen häufig sehe, ist, dass die Reiterin nicht gerade auf dem Pferd sitzt. Das fällt vor allem dann auf, wenn man die Reiterin von hinten sieht.
Als Reiterin sollten Sie sich fragen, ob Sie beim Reiten häufig in den immer gleichen Steigbügel treten müssen, um Ihren Sattel wieder mittig auszurichten. Das bedeutet, dass Ihr Sattel aus irgendeinem Grund nicht mittig liegt.
Sobald Sie festgestellt haben dass der Kissenkanal und das Kopfeisen Ihres Sattels zu Ihrem Pferd passen, dass die Gurtstrippen richtig positioniert sind und die Sattellänge für Ihr Pferd korrekt ist, müssen Sie herausfinden, ob der Sattel gerade auf dem Pferderücken aufliegt. Geradheit bedeutet, dass der Schwerpunkt des Sattels sich an der Wirbelsäule des Pferdes ausrichtet. Manchmal wirkt ein Sattel beim beidseitig angebundenen Pferd gerade, rutscht aber nach links oder rechts, wenn das Pferd geritten wird. Ein Sattel, der auf eine Seite rutscht oder sich dorthin dreht, kann zu Problemen mit dem Iliosakralgelenk (Kreuzdarmbeingelenk, ISG) des Pferdes führen. Rutscht der Sattel so sehr, dass die Kissen auf der Wirbelsäule des Pferdes liegen, kann das zu irreversiblen Schäden führen, die ein anderes Mal an dieser Stelle besprochen werden sollen.
Auch die Reiterin wird Probleme bekommen, wenn sie permanent das Rutschen des Sattels zu einer Seite ausgleichen muss, indem sie mehr Gewicht auf die andere Seite des Sattels bringt, um sich gerade zu fühlen. Alle möglichen langfristigen Probleme am Bewegungsapparat können als Folge davon auftreten. Zuerst werden sie nur als kleine Unpässlichkeiten verharmlost, statt als Hinweis auf die späteren Schmerzen und lang andauernden Probleme ernst genommen zu werden.
Geradheit des Sattels prüfen
Die beste Möglichkeit, festzustellen, ob Ihr Sattel beim Reiten auf eine Seite rutscht oder sich dorthin dreht, ist das Erstellen eines Staubabdrucks. Hinterher analysieren Sie dann das Ergebnis. Vor dem Reiten bürsten Sie den Rücken Ihres Pferdes nicht wie sonst, sondern satteln und trensen es und reiten es auf einem Zirkel mit 20 Metern Durchmesser auf beiden Händen in allen Gangarten. Dann nehmen Sie den Sattel vorsichtig ab, um den Abdruck nicht zu zerstören, den die Kissen hinterlassen haben. Binden Sie Ihr Pferd möglichst von beiden Seiten an oder lassen Sie es von jemandem auf ebenem Boden halten. Überprüfen Sie nun den Pferderücken von einer Aufstiegshilfe oder von einem Stuhl aus, so dass Sie den Staubabdruck genau in Augenschein nehmen können. Lag der Sattel schön gleichmäßig und gerade auf dem Rücken auf? Oder rutschte er nach links oder rechts? Falls Sie sich unsicher sind, messen Sie auf beiden Seiten den Abstand von der Mitte der Wirbelsäule Ihres Pferdes bis zur hinteren Außenseite der Kissen mit einem Maßband. Rutscht der Sattel nach rechts, was wegen der normalerweise ausgeprägteren Muskulatur häufiger vorkommt, ist der Abstand von der Mitte der Pferdewirbelsäule zum rechten hinteren, äußeren Kissenrand größer als der Abstand von der Mitte der Pferdewirbelsäule zum linken äußeren Kissenrand.
Warum rutscht ein Sattel überhaupt auf eine Seite des Pferderückens? Das liegt an der natürlichen Schiefe des Pferdes. Die überwiegende Mehrheit von Pferden ist von der Schulter an asymmetrisch gebaut. Die meisten Pferde haben eine größere, besser bemuskelte linke Schulter, bei einigen ist es die rechte Schulter, die größer und besser bemuskelt ist und eine kleine Minderheit von Pferden hat gleich große Schultern. Das Verhältnis ist in etwa 70 : 20 : 10. Ob ein Pferd links oder rechts dominant ist, kann von seiner Lage im Uterus herrühren und/oder davon, welches Bein es beim Grasen nach vorne nimmt und/oder davon, wie es trainiert wurde. Manchmal verrutscht der Sattel auch deswegen, weil das Kopfeisen oder der Kissenkanal zu eng sind, oder weil die Breite oder Winkelung des Baumes nicht zum Pferd passt. Dann kommt es dazu, dass die ausgeprägtere Schulter den Sattel auf die andere Seite schiebt.
Andererseits drückt eine schief sitzende Reiterin die Füllung der Kissen auf einer Seite stärker zusammen und zieht den Sattel auf diese Seite. Vielleicht rührt ihr Ungleichgewicht von einer Skoliose her, oder sie hat einen Beckenschiefstand oder sie oder er legt mehr Gewicht in einen Bügel.
Wenn Sie herausgefunden haben, dass Ihr Sattel schief liegt, sollten Sie den Grund dafür suchen und das zugrundeliegende Problem lösen, um Langzeitschäden zu vermeiden. Bei Ihrem Pferd und bei Ihnen.