Verursacht eine Lahmheit das Verrutschen des Sattels? Oder ist es umgekehrt?

von Jochen Schleese

Verursacht eine Lahmheit das Verrutschen des Sattels? Oder ist es umgekehrt?

von Jochen Schleese

lahmheit

Eine der am weitesten verbreiteten Ursachen für eine Subluxation der Pferdewirbelsäule oder des Iliosakralgelenks (ISG) ist, dass das Kopfeisen nicht an die größere Schulter des Pferdes angepasst wurde. Im abgebildeten Fall betrifft das die linke Schulter. Dadurch verdreht sich der Sattel nach rechts und übt mehr Druck auf das linke Kissen und die linke Seite der Wirbelsäule aus. Das Pferd versucht, diesen Druck auszugleichen, indem es über die rechte Schulter nach rechts ausweicht.

Die Überlegungen sind durch einen Artikel angestoßen worden, der kürzlich in verschiedenen Zeitschriften erschien und in dem über die Internationale Tagung des Saddle Research Trusts berichtet wurde, auf der es unter anderem um die Beziehung zwischen der Lahmheit von Pferden als Ursache für ein Verrutschen des Sattels ging. Obwohl es nach meiner Erfahrung und persönlichen Forschung zu diesem Thema genau andersherum ist und das Verrutschen des Sattels die Lahmheit hervorruft, hat die Tagung doch einige gute Argumente deutlich gemacht, die mit dem übereinstimmen, was ich über Sattelanpassung weiß und lehre.

  • Eine Sattelanpassung muss immer auch die Anpassung des Sattels an den oder die Reiter/in beinhalten.
  • Das Verrutschen des Sattels hängt mit der Schiefe/Asymmetrie des Pferdes, der Reiterin/des Reiters oder des Sattels zusammen.
  • Die Schiefe des Reiters/der Reiterin ist eher ein Ergebnis, als die Ursache des rutschenden Sattels.
  • Die Überprüfung des Sattels muss häufiger als ein Mal jährlich stattfinden, da sie auch mit dem Wechsel der Jahreszeiten, des Gewichts und des Arbeitspensums zusammenhängt.
  • Reiter/innen reiten so, wie sie auch gehen, mit oder ohne Einwärtsdrehen des Fußes, wir reiten, wie wir sind, und das schließt das Gehen ja mit ein.
  • Reiter/innen brauchen eine starke innere Muskulatur und sollten selbst symmetrisch sein, um ihre Pferde symmetrisch werden zu lassen.
  • Es ist wichtig, ein Verrutschen des Sattels früh zu erkennen.

Ich stimme nicht unbedingt mit folgenden Punkten überein:

  • Lahmheit ist eine Ursache für das Verrutschen des Sattels (wenn Ihr Sattel verrutscht, rufen Sie einen Tierarzt an, um eine Lahmheitsuntersuchung zu machen), denn wir sehen bei der Sattelanpassung, dass es die natürliche Schiefe des Pferdes ist, die zum Verrutschen des Sattels führt. Dadurch liegt der Sattel auf Reflexpunkten, was mitunter zu Verhaltensproblemen führt. Es führt außerdem zu Lahmheit, da das Pferd seinen Rücken wegdrückt und seine Hinterhand nicht aktivieren und die Vorhand nicht anheben kann und in Folge auf der Vorhand läuft, was wiederum dazu führt, dass es schief bleibt und  Gelenkprobleme bekommen kann. Wird ein symmetrischer Sattel auf ein asymmetrisches Pferd gelegt, bringt die größere und weiter  hinten liegende Schulter –meist ist das die linke Schulter- den Sattel dazu, sich zu verdrehen und/oder auf die Seite der kleineren und weiter vorne liegenden Schulter zu rotieren –meist ist das die rechte Schulter. Das Kopfeisen eines Sattels muss zum Profil der Region um Schulter und Widerrist des Pferdes passen und mit seiner Weite und Winkelung übereinstimmen. Wenn ein Pferd asymmetrisch ist und der Sattelanpasser in der Lage ist, das Kopfeisen auf der größeren Seite zu öffnen und an die größere Schulter anzupassen, hört der Sattel auf, zu rutschen, sich zu verdrehen oder zu rotieren und liegt auch nicht auf der Wirbelsäule des Pferdes auf. Die Reiterin kann sich nun gerade richten und wenn sie korrekt reitet, wird das Pferd seinen Rücken aufwölben, seine Hinterhand aktivieren und die Vorhand anheben. Jetzt besteht auch die Chance, dass die Reiterin das Pferd darin unterstützen kann, gerader zu werden, und wenn das Pferd ausgemessen wird und sich als gerade erweist, wird auch das Kopfeisen wieder symmetrisch ausgerichtet und so lange symmetrisch bleiben, wie auch das Pferd symmetrisch ist.
  • Wenn man den Ausdruck „ rutschender Sattel“ benutzt, macht man keinen Unterschied zwischen einem schief liegenden (zur Seite gerutschten) und einem verdrehten (rotierten) Sattel. Obwohl man natürlich beides verhindern muss, weil das Kissen in jedem Fall zu dicht an der Wirbelsäule und ihren Bändern aufliegt, ist ein wegen einer größeren, weiter zurück liegenden Pferdeschulter verdrehter Sattel schlimmer. Er führt zu Problemen, wenn der hintere Teil des Sattelkissens auf der Wirbelsäule aufliegt. Häufig sind Sättel auch noch zu lang, und dann liegt das hintere Kissen hinter dem 18. Wirbel auf der Lendenregion auf. Asymmetrie verursacht meist sowohl ein seitliches Verrutschen, als auch ein Verdrehen.

Im, Artikel wird empfohlen, dass Reiter sich das Fell ihres Pferdes ansehen und nach Scheuerstellen, trockenen Stellen inmitten verschwitzten Fells, oder nach gewelltem Haar Ausschau halten sollten, da diese Zeichen Anhaltspunkte dafür sein könnten, dass etwas nicht stimmt. Diese Punkte können zwar Zeichen für Sattelprobleme sein, doch wenn sie offensichtlich werden, ist der Schaden eigentlich bereits zu groß.

Was ist mit all den Verhaltensweisen, mit denen unser Pferd uns sagen möchte, dass sein Sattel nicht passt? Pferde, die widersetzlich sind, mit durchgedrücktem Rücken gehen, mit dem Schweif schlagen, beim Gurten beißen, Pferde, die unrein im Takt gehen oder die eine lange Lösungsphase haben, Pferde, die eilen oder buckeln oder die gelegentlich stolpern oder nicht wirklich leistungsbereit sind, all diese Pferde versuchen uns etwas zu sagen und wir sollten nicht warten, bis wir auch die körperlichen Anzeichen dafür sehen, dass der Sattel ihnen Schmerzen und Probleme verursacht.

Es ist wunderbar, dass dieses Thema nun ernsthaft angegangen wird und dass es Studien gibt, die ermitteln sollen, wie wir unseren Pferden am besten helfen können. Empirische Befunde könnten diese Arbeit sehr gut ergänzen. Würde nicht jeder von einem Austausch zwischen der wissenschaftlichen und der empirischen Seite profitieren?

Ich freue mich, von Ihnen zu hören!

Jochen Schleese
©2015 courtesy of Saddlefit 4 Life® (Danke an Murielle Price, zertifizierte Pferde Ergonomin aus Kalifornien)

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